NZZ am Sonntag:
Gastbeitrag

Wir sind noch immer Urmenschen

Je mehr wir berücksichtigen, wie wir Menschen seit Urzeiten ticken, desto erfolgreicher können wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern. – Von Dominik Imseng, Managing Partner bei smartcut consulting

(NZZ am Sonntag, 9. Juli 2023)

«Künstliche Intelligenz wird alles, wirklich alles verändern», meinte unlängst der legendäre Investor Warren Buffett. Klingt super. Ich schlage vor, dass sie als erstes für eine Welt ohne Hunger und Kriege sorgt.

Zynismus beiseite: Der US-Milliardär ist nicht der einzige, bei dem die Flut immer neuer KI-Tools irrationalen Überschwang bewirkt. Entscheidungsträger in der Wirtschaft fasziniert seit jeher das Neue oder im Business-Jargon: das Disruptive. Waren es eben noch Big Data oder die Blockchain, deren Innovationspotenziale CEOs erschauern liessen, ist es nun an KI, alles Gewohnte und Bekannte über Bord zu werfen.

Doch je schneller sich der technologische Wandel vollzieht, desto mehr sollten wir uns auch auf das besinnen, was sich nicht verändert, was schon seit Urzeiten gleich bleibt: nämlich wir Menschen. Wie wir denken. Wie wir fühlen. Wie wir uns verhalten. Nicht Wandel ist die einzige Konstante, sondern die menschliche Natur.

Das belegen Experimente wie dieses: Wenn Versuchspersonen wählen dürfen, wo ihr Bett steht, ziehen sie meist vor, dass es weit von der Schlafzimmertür entfernt ist. Die Evolutionspsychologie weiss warum: Unser Gehirn unterscheidet sich nur unwesentlich von dem unserer urzeitlichen Ahnen, die immer damit rechnen mussten, im Schlaf von Raubtieren angefallen zu werden. Seine Glieder nicht gleich beim Eingang der Höhle auszustrecken, war eine Überlebensstrategie, die bis heute in uns einprogrammiert ist.

Auch viele weitere prähistorische Veranlagungen sind uns geblieben. So haben wir etwa noch immer das tiefe Bedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein, weil dies in früheren Zeiten überlebenswichtig war. Unsere Vorliebe für süsse und fettige Speisen stammt aus Tagen, als Kalorien noch eine begrenzte Ressource darstellten; besser also tüchtig schlemmen, wenn es schon endlich mal Fett und Zucker gibt. Es ist auch kein Zufall, dass wir uns lieber mit attraktiven Menschen paaren, da ihr Erbgut offensichtlich gesund ist und so eher Nachwuchs entsteht, der überleben kann.

Kurz: Wir wachen jeden Morgen als Zeitreisende auf, die es aus der tiefsten Vergangenheit ins Jahr 2023 verschlagen hat. Obwohl sich unsere Lebensbedingungen grundlegend von denen unserer frühesten Vorfahren unterscheiden, denken und fühlen wir noch immer sehr, sehr ähnlich wie sie.

Diesen Konstanten der menschlichen Natur nicht ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie der neusten Version von ChatGPT («Neu mit Plug-ins!»), wäre fatal. Denn ausgerechnet der Klimawandel – unsere wohl grösste Herausforderung – lässt sich nur mit radikalen Verhaltensänderungen bekämpfen. Und just für diese ist unsere Spezies grundsätzlich nicht gemacht.

Tatsächlich ist unser Hirn ein gewaltiger Energiefresser und darum programmiert, möglichst wenig Kalorien zu verbrauchen. Dies führt dazu, dass wir nur widerwillig neue Verhaltensweisen annehmen, da dies wertvolle kognitive Ressourcen erfordert. Und was wäre für uns Westlerinnen und Westler eine grössere Umgewöhnung als die radikale Veränderung unseres Lebensstils – von verschwenderisch hin zu nachhaltig?

Auch «Hyperbolic Discounting» macht uns zu schaffen, wie Verhaltenswissenschaftler unsere Tendenz nennen, konkrete Vorteile im Hier und Jetzt abstrakten Vorteilen in der Zukunft vorzuziehen. Dies führt dazu, dass wir lieber im Winter in der Karibik in der Sonne liegen, statt durch den Verzicht aufs Fliegen zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen. Tatsächlich sind wir Menschen so sehr bestrebt, Verluste zu vermeiden, auch hinsichtlich unserer gefühlten Lebensqualität, dass wir die Gewinne nicht sehen wollen, die dadurch möglich wären. Die Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels empfinden wir als das grössere Übel als den Klimawandel selbst.

Darum: Ja, der technologische Fortschritt, der dank KI gerade Siebenmeilenstiefel anzieht, bringt gewaltigen Wandel mit sich. Trotzdem sollten wir nicht nur auf das fokussieren, was sich alles verändert, sondern auch auf das, was in den kommenden Jahren genauso gleich bleiben wird wie in den letzten hunderttausend: wir Menschen.

Je besser wir wissen und berücksichtigen, wie unsere Spezies seit Urzeiten denkt, fühlt und sich verhält, desto erfolgreicher können wir die unzähligen Herausforderungen meistern, denen wir uns jetzt und in Zukunft stellen müssen. Und wer weiss? Wenn uns KI bei der Erkenntnis von uns selbst unterstützt, könnte dies tatsächlich alles, wirklich alles verändern.

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