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Gastbeitrag

Werden Sie zum Business-Archimedes

Die Verhaltensökonomie untersucht, wie Menschen Entscheidungen treffen. Darum sind die Erkenntnisse von Verhaltensökonomen wie Daniel Kahneman («Schnelles Denken, langsames Denken») für Unternehmen äusserst wertvoll. Denn wer weiss, wie Kunden Entscheidungen treffen, weiss auch, was Kunden wollen. – Von Dominik Imseng, Managing Partner bei smartcut consulting

(WEKA-Newsletter, 5. Dezember 2022)

«Gebt mir einen festen Punkt und ich hebe die Welt aus den Angeln», versprach Archimedes, der im 3. Jahrhundert v. Chr. die Hebelgesetze entdeckte. Die gute Nachricht ist: Auch Unternehmen können Hebel nutzen, um mit weniger Aufwand mehr zu erreichen.

Die Hebel, die ich meine, sind die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics), einer Disziplin der Wirtschaftswissenschaften, die sich mit dem menschlichen Entscheidungsverhalten befasst.

Damit liegt die Business-Relevanz der Verhaltensökonomie auf der Hand. Denn ein Kaufentscheid ist genau dies – ein Entscheid. Und wenn Unternehmen wissen, wie Menschen Entscheidungen treffen, können sie ihr Angebot überzeugender, ihr Marketing wirksamer und das Kundenerlebnis attraktiver machen.

Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Nutzung der Erkenntnisse der Verhaltensökonomie im Business ist die Taxi-App Uber.

Zur Erinnerung: Vor Uber war das gewöhnliche Taxi die perfekte Lösung für ein dringendes Problem: Wie komme ich schnell, bequem und sicher von A nach B? Seit Uber ist das klassische Taxi nicht mehr die Lösung für dieses Problem, sondern selbst das Problem.

Nehmen wir nur einmal den Taxameter. Die Tatsache, dass der Zähler ständig steigt, lässt uns das erfahren, was Verhaltensökonomen wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman als «Pain of Paying» bezeichnen. Tatsächlich zeigen Brain-Scans, dass die Schmerzzentren in unserem Hirn aktiviert werden, wenn wir ans Geldausgeben denken müssen.

Die Verhaltensökonomen bei Uber haben diesen Schmerzpunkt erkannt und darum dafür gesorgt, dass die App von vornherein klar macht, wie teuer die Fahrt werden wird. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Taxis lässt uns Uber auch nicht im Unklaren, wann die Fahrerin kommt, ob sie überhaupt kommt und wie lang die Fahrt dauern wird. Denn die Verhaltensökonomen bei Uber wissen: Wir Menschen hassen Unsicherheit – die sogenannte «Uncertainty Aversion».

Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie sorgen aber nicht nur dafür, dass Produkte und Dienstleistungen das natürliche Entscheidungsverhalten von Kunden berücksichtigen. Vielmehr erhöhen sie auch die Marketingeffizienz.

Das zeigt das Beispiel des Wirtschaftsmagazins «Economist», das vor ein paar Jahren potenzielle Leser in den USA zwischen zwei Angeboten wählen liess:

  • Angebot 1: ein Online-Abo für 59 Dollar

  • Angebot 2: ein Kombi-Abo Print/Online für 125 Dollar


Das Resultat: 68 Prozent der Neuabonnenten wählten das Online-Abo, 32 Prozent das Kombi-Abo. Der durchschnittliche Erlös pro Abo für den «Economist»: etwa 80 Dollar.

Kein schlechter Return on Investment, zumal das Marketingteam des Wirtschaftsmagazins nachvollziehen konnte, warum sich mehr als zwei Drittel der Neuabonnenten für das günstigere Online-Abo entschieden. Schliesslich liessen sich die journalistischen Inhalte des «Economist» ja auch rein online nutzen.

Da aber immer wieder Anfragen kamen, ob man auch nur die gedruckte Ausgabe des Magazins abonnieren könne, entschied sich der «Economist», eine dritte Abo-Option anzubieten: ein reines Print-Abo.

Die Frage war nun natürlich, wie teuer dieses Abo werden sollte. «Wahrscheinlich müsste der Preis irgendwo in der Mitte zwischen den 59 Dollar für das Online-Abo und den 125 Dollar für das Kombi-Abo sein», werden Sie jetzt wohl finden. Und das Marketingteam des «Economist» dachte genauso. Bis ein Verhaltensökonom, der frisch beim Wirtschaftsmagazin angefangen hatte, einen überraschenden Vorschlag machte.

«Wieso verkaufen wir das Print-Abo nicht zum gleichen Preis wie das Kombi-Abo?», fragte er seine Kollegen. Die anderen im Team runzelten die Stirn: «Warum sollten wir das tun? So ein überteuertes Print-Abo würde doch niemand kaufen.» «Richtig», antwortete der Verhaltensökonom: «Trotzdem werden wir so mehr verdienen.»

Und tatsächlich: Kaum wurde diese dritte Abo-Option eingeführt (ein Print-Abo zum Preis eines Kombi-Abos), wählten plötzlich 84 Prozent der Neuabonnenten das Kombi- und nur noch 16 Prozent das Online-Abo. Für den «Economist» erhöhte sich so der durchschnittliche Erlös pro Abo von 80 auf 114 Dollar – eine Steigerung von 43 Prozent. Und das mit einer Massnahme, die überhaupt nichts gekostet hatte.

Grund für den radikalen Präferenzwechsel bei den Neuabonnenten ist der von der Verhaltensökonomie gut untersuchte «Decoy Effect» (Köder-Effekt): Das vermeintlich sinnlose Angebot eines Print-Abos für 125 Dollar wirkt als Köder für das Kombi-Abo, das offensichtlich der bessere Deal ist – schliesslich bekommt man hier ja deutlich mehr fürs Geld.

Was der «Decoy Effect» perfekt illustriert, ist folgendes: Kaufentscheidungen werden nie in einem Vakuum getroffen, sondern immer in einem bestimmten Kontext. Und wenn Sie diesen Kontext bewusst gestalten, können Sie das Entscheidungsverhalten von Kunden gezielt beeinflussen.

Neben Angebotsentwicklung und Marketing gibt es noch einen weiteren Bereich, in dem Unternehmen die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie gewinnbringend nutzen können. Die Rede ist von der Customer Experience, dem Kundenerlebnis.

So lässt sich z.B. durch die Berücksichtigung der sogenannten «Peak-End Rule» mit wenig Aufwand aus einer durchschnittlichen Kundenerfahrung eine überdurchschnittliche machen. Denn: Entscheidend für die Beurteilung einer Erfahrung ist nicht, wie wir diese im Durchschnitt empfunden haben. Stattdessen bewerten wir ein Erlebnis anhand seines Höhepunkts (engl. peak) und seines Endes. Oder anders formuliert: Die «Peak-End Rule» ist das Pareto-Prinzip der Customer Experience. Ein kleiner Teil des Kundenerlebnisses ist für einen Grossteil des Kundenerlebnisses verantwortlich.

Zwei Beispiele aus einem Hotel:

  • Können Kunden per Knopfdruck die Musik wählen, die im Fahrstuhl erklingt (z.B. R&B, Rock oder Jazz), finden sie das so toll, dass das bescheidene Morgenbüfett auf einmal ganz okay ist.

  • Verläuft der Check-out besonders angenehm (z.B. weil die Minibar nicht in Rechnung gestellt wird), war der zu kalte Pool doch eigentlich gar kein Problem.


Die «Peak-End Rule» belegt: Die Wahrnehmung eines Angebots lässt sich viel einfacher – und damit günstiger – beeinflussen als die Realität eines Angebots. Statt dass Ihr Angebot objektiv besser ist als das der Konkurrenz, kann es sich einfach besser anfühlen und Ihnen so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Der britische Verhaltensökonom Rory Sutherland hat in diesem Zusammenhang einen wunderbaren Begriff geprägt: «Innervation». Damit bezeichnet er eine Form von Innovation, die auf der Beeinflussung der psychischen – und damit der inneren – Erfahrung eines Angebots basiert.

Nehmen wir das Beispiel von gestreifter Zahnpasta. Die verschiedenfarbigen Streifen enthalten die genau gleichen Inhaltsstoffe, einfach anders eingefärbt. Und doch habe ich als Konsument das Gefühl, dass der erste Streifen besonders gründlich die Zähne reinigt, der zweite besonders gut vor Karies schützt und der dritte besonders reinen Atem gibt.

Kurz: Die dreifarbige Zahnpasta ist «Innervation». Sie gibt mir nur das Gefühl, dass sie besser reinigt. Aber ist das wirklich so schlimm? Hauptsache, sie reinigt gründlich meine Zähne, oder?

«If you don’t understand people, you don’t understand business», sagt der bekannte Management-Denker Simon Sinek. Genau dieses Verständnis für das menschliche Fühlen und Entscheiden wird durch die gezielte Beschäftigung mit den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie möglich.

Dabei zeigt sich: Der Mensch ist fast nie jener hochvernünftige und kühl kalkulierende Nutzenmaximierer, den man aus den Textbüchern der klassischen Wirtschaftslehre kennt (der sogenannte «Homo oeconomicus»). Stattdessen lassen wir uns von Gefühlen und dem Wunsch nach der unmittelbaren Befriedigung unserer Bedürfnisse leiten.

Indem die Verhaltensökonomie seit den 1970er-Jahren untersucht, wie der Mensch in wirtschaftlichen Situationen tatsächlich entscheidet und handelt, sorgt sie für ein robustes Fundament in den Bereichen Angebotsentwicklung, Marketing und Customer Experience. Dies belegt nicht zuletzt eine Studie des renommierten Marktforschungsinstituts Gallup. Sie zeigt: Unternehmen, die die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie berücksichtigen, verzeichnen im Durchschnitt ein 85% höheres Umsatzwachstum und einen 25% höheren Gewinn als die Konkurrenz.

Werden Sie zum Business-Archimedes, der mit kleinen Kräften grosse Kräfte bewirkt. Nutzen Sie die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie. Ich wünsche Ihnen ganz viel Spass und Erfolg dabei!

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